Samstag, 27. März 2010

Chemo, Zyklus2, Woche3

Freitag - Auswertung
2 Stunden im Wartezimmer haben sich gelohnt, zum einen habe ich die nette Lokalpolitikern wiedergetroffen, die aus langer Krebs-Erfahrung viele gute Tipps hat und trotz ihrer unerfreulichen Krankengeschichte immer gut gelaunt und optimistisch wirkt. Zum anderen gab es gute Neuigkeiten von meiner Frau Doktor: Organe gesund, Blutwerte gut, Lymphknoten im Hals sind wieder auf Normalgröße geschrumpft, mein Tumor ist auf ca. 3x5cm geschrumpft und hat damit nur noch einen Bruchteil seiner maximalen Größe.
Ab Montag geht es für mich dann mit 4 Zyklen ABVD weiter, das soll ja etwas besser verträglich sein als BEACOPP, außerdem sind es wesentlich weniger Behandlungstage! Am 05.07.2010 gibt's die letzte ABVD-Infusion, danach kommt das nächste Restaging (Kontrolluntersuchung), das sind nur noch etwas mehr als 14 Wochen! Easy...
Das wurde angemessen gefeiert, ein Abend mit zwei charmanten Damen, Kuchen, fettigem Essen von Burger King und Gedaddel auf der Wii.

Mittwoch - Restaging (Kontrolluntersuchung)
Großartiger Tag. Ich sollte mit nüchternem Magen früh morgens zum Restaging erscheinen. Das heißt: jede Menge Untersuchungen, um festzustellen, wie weiter therapiert wird und wie erfolgreich die Therapie bisher war. Also bin ich morgens, völlig benommen und mit Kreislauf auf Tiefschlaf-Niveau im Krankenhaus aufgelaufen und beim rumsitzen prompt bewusstlos geworden. Die lieben Schwestern haben aus dem Nichts ein Bett mit Rollen, zwei charmante Ärztinnen hergezaubert und mir einen Liter NaCL-Lösung in die Vene laufen lassen. Währenddessen habe ich mich mit einer fröhlichen Lokalpolitikerin über Essen unterhalten, danach ging's mir wieder gut.
Es folgte ausziehen, Ultraschall von Hals bis Becken, anziehen, ausziehen, Abhören, Abklopfen, anziehen, Interview, Blut abnehmen, Urinprobe, 1l ekelhaftes, stinkendes, klebriges Kontrastmittel trinken, ausziehen, CT, anziehen, ausziehen, Röntgen, anziehen, ausziehen, EKG, anziehen, nach hause gehen, schlafen. Die Dame beim EKG hat mir ein Bonbon geschenkt, damit ich wenigstens noch ein Frühstück bekommen habe.

Freitag, 19. März 2010

Die andere Seite der Medaille...

Nachdem ich ja ständig von Übelkeit, Schwäche, Medikamenten und anderen unschönen Dingen schreibe, kommt hier eine vorläufige Liste der besten Nebeneffekte von meinem Krebs. Schließlich haben wir in Medizinsoziologie gelernt, dass eine Krankheit auch positive Auswirkungen auf den Patienten haben kann und dass es im Lauf einer Erkrankung immer auch um die individuelle Befindlichkeit und Wahrnehmung geht.
  • Ich habe plötzlich so viel Zeit - ich lese viel mehr Bücher, ich höre viel mehr Musik, ich spiele viel mehr Videospiele. Und das beste ist: keiner sagt, man würde Zeit mit sinnlosen Dingen verplempern.
  • Viel mehr soziale Kontakte - Freunde und Familie rücken unglaublich zusammen. Man hilft sich gegenseitig, motiviert sich, gibt sich Kraft. Und ich habe plötzlich wieder Kontakt zu alten Freunden, mit denen ich seit Monaten, oder Jahren nichts mehr zu tun hatte.
  • Weniger Zeit im Bad - früher habe ich mindesten 15 Minuten länger im Bad gebraucht, um meine langen Haare zu trocknen, heute wisch' ich mir einmal mit dem Handtuch über die Glatze und bin fertig.
  • Bei den Mädels erwacht der Mutterinstinkt - man wird betüdelt, was auch mal ganz angenehm sein kann.
  • Geschenke!!! - Hier kommen ständig Päckchen von lieben Menschen an, die mir leckeres Essen, Bücher, Filme, Noten und gute Wünsche schicken. Vielen Dank dafür!
  • Ich habe kein schlechtes Gewissen mehr, im vollbesetzten Bus einen Sitzplatz zu belegen.
  • Ich bin viel gelassener - was interessiert mich der inkompetente, korrupte Westerwelle, früher hätte ich mich tierisch über den aufgeregt. Heute denke ich mir, "solche Luftnummern kommen und gehen, davon lass ich mir doch den Spass nicht verderben"... oder das schrecklich miese Spiel des HSV seit Wochen, eigentlich kaum zu ertragen, aber was soll's, spielen sie halt nächste Saison nicht im europäischen Wettbewerb, davon geht die Welt nicht unter. Oder die Katze, die ständig meine Pflanzen abkaut und dann in die Wohnung kotzt - wird's halt wieder aufgewischt, ich hab ja auch schonmal irgendwo hingekotzt, passiert halt mal.
Also... so schlecht geht's mir gar nicht! Die Liste wird gegebenenfalls mal aktualisiert...

Chemo, Zyklus2, Woche1-2

Der zweite Zyklus läuft - alles beim Alten. Den ersten Tag habe ich mit Kopfschmerzen, Übelkeit, stumpfem Rumdämmern, Kotzen und ab und zu einer Tablette aus meinem reichhaltigen Sammelsurium verbracht. Die Laune war komischerweise trotzdem ganz gut - wahrscheinlich hilft es, wenn man weiß, dass es nur einen Tag so schlecht geht.
Die restlichen Tage der ersten Woche waren erträglich, aber ich merke jeden Tag stärker, wie ich körperlich abbaue. Alles was ich mache ist schrecklich anstrengend, ich hab ständig schwere Beine und Muskelkater, obwohl ich die meiste Zeit sitze oder liege. Wenn ich die paar Stufen aus dem ersten Stock runtergegangen bin, muss ich kurz verschnaufen und so langsam gewöhne ich mir ein langsames Lauftempo an, damit ich nicht nach zehn Schritten Herzrasen und Luftnot habe (man wird alt).
Am Dienstag der zweiten Woche (16. März) hatte ich den tollkühnen Plan, zur Schule zu gehen, der Wecker war gestellt, früh eingeschlafen bin ich auch und als der Wecker dann morgens geklingelt hat, war ich auch wach und motiviert (gute Vorzeichen). Also Geduscht, Glatze rasiert, Frühstück gemacht, Proviant eingepackt, einen Brief an die Krankenkasse ausgedruckt... und erstmal wieder erschöpft ins Bett gefallen und noch zwei Stunden geschlafen.
Um 10:00h war ich dann tatsächlich in der Schule, habe eine Unterrichtseinheit ganz gut überstanden, nachmittags noch eine Therapie von meiner Therapeutengruppe angeschaut und zwischendurch in der Apotheke Spritzen und Antibiotika abgeholt. Die Zeit mit meinen Leuten war toll, ich hatte viel Spass mit den ganzen lieben Menschen in der Schule und es tut wirklich gut, ab und zu rauszukommen, aber abends habe ich gemerkt, dass es viel zu viel Anstrengung war.
Mittwoch habe ich nur im Bett gelegen, antriebslos Musik gehört, Donnerstag hatte ich ein-zwei aktive Phasen, die ich genutzt habe um das Bad zu putzen und heute (Freitag) fühle ich mich wieder halbwegs erholt von dem strapaziösen Dienstag! Grad läuft Lynyrd Skynyrd, die Laune ist bestens und vielleicht setz ich mich gleich mit einem Buch (Anette Fox - Kindliche Aussprachestörungen) in den Park hier um die Ecke.

Sonntag, 7. März 2010

Chemo, Zyklus1, Tag18-21

Tag21 (Sonntag) - GLATZE!!!

Morgens habe ich mir von der Freundin den Hinterkopf rasieren lassen - damit der alte Schädel endlich wieder einen einheitlichen Look hat. Den Tag hab ich mit Mütze, Schal und Decke auf dem Sofa verbracht, damit der Schnupfen bis Morgen zur Chemo etwas nachlässt.
Keine Schmerzen, nur Schnupfen und Müdigkeit.
Morgen früh geht's zur Chemo, nachmittags werde ich völlig breit rumliegen und abends werde ich wieder kotzend im Bad hängen... na wenn das kein Grund zur Vorfreude ist.

Tag19-20 (Freitag, Samstag) - Besuch aus der Heimat

Mein großer Bruder und meine Schwester haben mich besucht, die Nadl war auch nur ein paar Stunden da, die meiste Zeit haben wir Rayman Raving Rabbids TV-Party gespielt - anstrengend, aber lustig!
Samstag haben wir noch einen kurzen Ausflug zu den Greifensteinen im Erzgebirge gemacht. Die Stufen auf die Aussichtsplattform habe ich mit Müh' und Not geschafft, und lang sind wir nicht draußen geblieben, weil es kalt und windig war - trotzdem gut, mal wieder ein bisschen raus zu kommen. Auf dem Rückweg haben wir einen kurzen Stopp bei der Familie von meiner Freundin gemacht, Kuchen essen und die kleinen Nichten und Neffen mit meiner neuen Frisur erschrecken - gute Sache!

Tag18 (Donnerstag) - ...müde

Geschlafen... Ich habe mir eine ziemlich heftige Erkältung eingefangen, die ich bis Montag zur nächsten Runde der Chemo wieder loswerden muss - deswegen musste ich die letzten Tage zuhause verbringen. Zum Glück hatte ich noch eine Simpsons-Staffel auf DVD, die ich noch nicht gesehen habe - das hat mich ein paar Stunden beschäftigt.

Mittwoch, 3. März 2010

Chemo, Zyklus1, Tag16-17

Tag17 (Mittwoch) - Rumhängen und Rest-Haare raufen

Keine Schmerzen mehr, dafür fühl ich mich nach wie vor sehr zittrig. Beim Duschen heute morgen war das Wasser voll mit Haaren, der Blick in den Spiegel danach zeigte das ganze Ausmaß des Verfalls - ich seh aus wie ein halb-gerupftes Huhn (wie gut, dass ich schon eine neue Mütze habe!).
Nachdem mir eine Hodgkin-Überlebende erzählt hat, dass sie während der Chemo auch ständig nur Hunger hatte und jede Menge zugenommen hat, habe ich erstmal aufgehört, nur mit Butter und Sahne zu kochen. Heute gab's Gemüse und Reis, mit Kokosmilch und Zitrone, etwas indisch gewürzt - macht garantiert kein Sodbrennen.

Tag16 (Dienstag) - Bluttest und Lymphomsch(m)erz

Nach dem anstrengenden Tag gestern mit Schule UND Mütze kaufen, bin ich morgens kaum aus dem Bett gekommen. Um 8:30h war ich im Krankenhaus, bin im Wartezimmer ständig eingeschlafen und bei jedem Schritt hab ich mich gefühlt, als hätte ich am ganzen Körper Muskelkater - einfach nur ein paar Schritte zu laufen war gestern anstrengender, als vor einem halben Jahr mit 20kg Gepäck 10 Stunden durch die schottischen Highlands zu wandern.
Mittags musste ich ein zweites Mal ins Krankenhaus zur Auswertung des Bluttests, alles im grünen Bereich, ziemlich niedriger Hämoglobin-Wert, was auch die Müdigkeit erklärt. Dann gabs noch die Einladung, am nächsten Montag einen zweiten Zyklus BEACOPP eskaliert zu vernaschen, was ich natürlich gerne angenommen habe. Den Rest vom Tag habe ich mich an Lymphomschmerzen erfreut (ständiges Ziehen und Stechen hinter dem Brustbein), ist zwar unangenehm, laut meiner Onkologin aber ein gutes Zeichen - der Tumor (die Sau) wird angegriffen!

Montag, 1. März 2010

Chemo, Zyklus1, Tag15

Es geht los, heute in der Schule rieselten plötzlich die Haare auf's Papier... obwohl ich wusste, dass das passiert, war ich im ersten Moment etwas erschrocken - jetzt ist es quasi offensichtlich und nicht mehr zu leugnen, dass ich krank bin.

Nach der Schule wurde noch eine neue Mütze gekauft - die alte flog hier seit Jahren ungenutzt rum und fing jetzt bei der ungewohnten Belastung an, sich aufzulösen. Es ist gar nicht so einfach, im März noch eine halbwegs tragbare Mütze zu finden, aber ich bin ganz zufrieden!
Gerade habe ich dann noch angefangen, mir den Kopf zu rasieren, war aber eine Schnapsidee - mit einem Einwegrasierer ist mir das zu mühsam. Jetzt seh ich halt etwas unfertig auf dem Kopf aus (sieht aber keiner, wegen der neuen Mütze).

p.s. Hab schlimmes Sodbrennen, weil ich von dem Cortison ständig Heißhunger habe (mal abgesehen davon, dass ich sowieso schon immer gerne viel gegessen habe)... hat jemand gute Tipps gegen Sodbrennen?